In unserem letzten ValueTalk haben wir mit drei unserer Advisors und Investoren über relevante Fragestellungen im Bereich „Funding und Management von Start-ups und mittelständischen Unternehmen in aktuellen Zeiten der Rezession“ diskutiert.
Im Vordergrund stand die Frage, was die Geschäftsführung eines Start-ups oder eines mittelständischen Unternehmens aktuell tun sollte, um mit Erfolg durch die Krise zu kommen.
Die wichtigsten Aussagen zu dieser Thematik haben wir Ihnen hier noch einmal zusammengefasst.
Wen hat die aktuelle Krise besonders erwischt?
Dr. Ekkehard Franzke: Um das zu beantworten, muss man die geopolitische Lage kurz skizzieren. Wir haben aktuell einen Mix, den wir so bisher nicht hatten und insofern ist die Krise vielleicht auch nicht ganz vergleichbar mit vergangenen Krisen, wie zum Beispiel der Internet Bubble, die wir im Jahr 2000 gesehen haben. Wir haben gleichzeitig ein geopolitisches Thema mit Blockbildung, die Lieferketten-Problematik, Energiepreisexplosion und eine Inflation, wie wir sie seit 70 Jahren in Deutschland nicht hatten. Für das Wachstum in Deutschland ist also Rezession angesagt.
Die aktuelle Inflation von 8-10% ist eine sehr hohe Unsicherheit über die Zukunft, was alle Vorhersagen sehr schwierig macht. Für Investoren ist es sehr schwierig, die weitere Entwicklung vorherzusehen. Man kennt die Kostenstrukturen nicht mehr, man kennt die Absatzmärkte nicht mehr und man muss die Lieferketten-Themen bis nach China verfolgen. Das sind alles Anforderungen, die sehr schwer vorhersehbar sind und deswegen können weder Banken noch Investoren auf die Businesspläne bauen.
Wen hat’s getroffen? Der Schock kam natürlich von hinten über die Kapitalmärkte (Zinserhöhung, Inflation) und setzt sich sozusagen nach vorne bis zu den Seed Runden durch. Wir sehen bei A Runden tatsächlich eine Bewertung von 50% Minus. Gleichzeitig sind die Anforderungen, was die Traction der Business Modelle betrifft, nach oben gegangen. Der ARR hat sich verdoppelt. Anforderungen von früher waren vielleicht 1 Million, jetzt sind es eher 2 Millionen.
Was gibt es für Empfehlungen mit Blick auf das Funding?
Dr. Heinz Raufer: Im Moment würde ich empfehlen, die Businesspläne variabel zu halten und zu adaptieren. Die sehr expansiven Pläne, die man vielleicht noch vor einem Jahr hatte, sollten etwas reduziert werden und es sollten stabile, alternative Pläne erarbeitet werden, bei denen mit weniger Volumen ausgekommen werden kann. Man muss schon sagen, dass die Bewertungen aktuell deutlich niedriger sind. Deswegen sind Gründer aktuell gut beraten, ihre Businesspläne zu adaptieren (in der Regel kein Problem bei Start-ups), indem sie konservativere und schnellere Revenue Streams erzeugen, weniger Marketingbudget einsetzen und alles etwas organischer wachsen lassen.
Auf der anderen Seite sollte man jetzt aber auch nicht in Hysterie verfallen, denn es wird auch ein Ende der Krise geben. Wenn die Krise vorbei ist, sollte man in einer möglichst starken Marktstellung sein und ein starkes Team an Board haben.
Wie sieht die Entwicklung des Finanzierungs-/Investitionsklimas in den nächsten zwei bis fünf Jahren aus?
Andreas Lukic: Es stimmt, dass die Bewertungen runter gehen und man vorsichtiger werden muss. Dennoch sind die Volumina noch nicht runter gegangen. Wenn man das 1. Halbjahr 2022 mit dem letzten Halbjahr vergleicht, dann sind die Volumina noch einigermaßen konstant. Das Geld ist also noch da.
Wie wird es sich entwickeln? Wir haben alle schon mehrere Krisen erlebt. Jede Krise ist anders, deswegen ist es natürlich schwer zu sagen, wie das Ganze dieses Mal ausgehen wird. Die Lieferkettenproblematik und die Folgen der Corona-Politik werden uns sicherlich noch einige Zeit lang begleiten und sich auf die Globalisierung auswirken. Die fehlende ständige Verfügbarkeit von Produkten und Lieferungen und die steigenden Energiekosten werden uns mittelfristig auch noch weiter begleiten. Neben der Corona-Politik bedingten/ einschränkungsbedingten Krise haben wir auch noch eine echte Bedrohungslage durch den Krieg, was die Konsumenten und auch die Arbeitnehmer beeinflusst. Das beides addiert würde mich zu der Aussage verleiten lassen, dass wir schon mittelfristig mit Einschränkungen zu rechnen haben.
Auf die Start-ups bezogen bedeutet das Einschränkungen bei der Kapitalversorgung:
- Sind die Investoren an den Fonds noch bereit so viel zu investieren?
- Ist das Geld auch noch so günstig? (“Cost of capital” wird natürlich zunehmen)
- Sind die Zeithorizonte noch so lange?
Wenn man diese Punkte alle zusammen nimmt, dann wird sich das auf die Wertung/die Finanzierung auswirken und es wird schwieriger werden.
Andererseits geht jede Krise, wie bereits erwähnt, auch wieder zu Ende und in der Regel ist man kurz vor dem Peak gut beraten langsam auf das Wachstum/auf die Zukunft umzuschalten. Ich würde aktuell zu der Aussage tendieren, dass wir den Peak der Krise bereits erreicht haben. Wir haben sicher noch ein, zwei schwere Jahre vor uns, aber irgendwo ist da Licht am Ende des Tunnels. Die Leute werden auch wieder konsumieren wollen und wir werden nicht zurük ins Mittelalter fallen. Natürlich wird die Wirtschaft sich weiterdrehen und sie muss effizienter werden. Aus Start-up Sicht wäre es aktuell der Königsweg, Bootstrapping (Finanzierungsrunde) zu vermeiden und sich idealerweise durch eigenen Umsatz zu finanzieren. Man sollte einen Mittelweg finden und wenn es durch reine Umsatzerzeugung nicht geht, dann ist auch da die alte Regel völlig unverändert: Das Geld ist da und man sollte es sich nehmen.
Auf welche Kennzahlen achten Investoren aktuell vermehrt, wenn es um die Funding Thematik geht?
Dr. Heinz Raufer: Ich kann auf jeden Fall bestätigen, dass es jetzt noch genügend Geld in den Fonds gibt. Die Fonds sind alle gut gefüllt und müssen auch investieren, es ist halt nur etwas risikoaverser und wie gesagt breiter gestreut. Deswegen schauen sich die Investoren nach meiner Erfahrung in aller Regel erstmal an, um welche Produkte es geht.
Die Produkte, die besonders viele Alleinstellungsmerkmale haben und besonders innovativ sind, die haben jetzt tendenziell gute Chancen. Alle Produkte, die risikoreich und kapitalintensiv sind werden eher Schwierigkeiten haben.
Nach meiner Wahrnehmung achten die Investoren neben den Alleinstellungsmerkmalen und der Innovation in den aktuellen Zeiten ganz besonders auch auf stabile und schnelle Umsatzrückflüsse. Das heißt, dass der gute alte “Customer Lifetime Value” jetzt ganz oben steht. Ein zweites wichtiges KPI sind aktuell auch die “Customer Acquistition Costs”. Außerdem wird darauf geachtet, wie schnell die jeweiligen Pay-off Zeiten sind, also wie groß die jeweiligen Vertriebszyklen sind. Das sind die klassischen Themen, die ich jetzt gerade in dem Sektor Business-Software oder B2B-Geschäften ziemlich häufig antreffe.
Dr. Ekkehard Franzke: Als Investor schaut man immer auf die Innovation, man schaut auf das Team, man schaut auf die Größe des Marktes und das wird auch so bleiben. Was wirklich deutlich anders geworden ist, ist das Thema „Traction“. Der Fokus ist ganz klar auf profitable Geschäftsmodelle gerichtet. Man sieht aktuell auch bei Startups, die bei Funding Runden sehr stark auf Umsatz und Größe gesetzt haben, dass sie eher Schwierigkeiten haben, als welche, die profitable Geschäftsmodelle verfolgen.
Wie können sie gut durch die Krise kommen?
1. Empfehlungen für Mittelständler
Andreas Lukic: Auch die aktuelle Krise wird vorüber gehen. Wir haben dann zwar viel aufzuholen, aber wenn die ganzen Unterbrechungen letztendlich aufgeholt sind, dann werden auch die Märkte wieder expandieren. Meine Empfehlung für Mittelständler ist es aktuell auf die Kosten zu achten. Außerdem kommt es ganz darauf an, um was für einen Mittelständler es sich handelt. Ist das Unternehmen nur in Deutschland aufgestellt oder handelt es sich um einen produzierenden Mittelständler mit europäischen oder globalen Lieferketten? Bei letzterem sollte neben dem Kostenfokus auch auf eine mögliche Optimierung der Lieferung bzw. Fertigung gelegt werden. So offen und grenzüberschreitend, wie wir Lieferketten kannten, werden sie in den nächsten 5-10 Jahren eher nicht zurückkommen. Das dritte Thema ist die Finanzierungsseite. Es sollte zu jeder Zeit darauf geachtet werden, dass ausreichend Liquidität im Unternehmen vorhanden ist. Auch in diesem Bereich kommt es natürlich darauf an, um was für einen Mittelständler es geht. Wenn der Mittelständler „gesund“ ist, in Deutschland ansässig und etwas kleiner (20-30 Mio. Umsatz), dann kann dieser beispielsweise auch schon den Markt konsolidieren. Da gibt es tolle Privat Equity Spieler, die helfen können, andere aufzukaufen oder anorganisch zu wachsen.
2. Empfehlungen für spätphasige Startups
Dr. Ekkehard Franzke: Bei spätphasigen Startups würde ich dazu raten sehr stark auf Liquidität, Reichweite und idealerweise recht früh auf Umsatz zu gehen. Ich würde weniger auf Wachstum gehen und gegebenenfalls auch Kunden akzeptieren, die „at the same level“ sind. Das wird jetzt nicht so sein, dass externe, neue Gesellschafter dazu gehen, sondern es wird innerhalb des bestehenden Kreises wieder Geld geraised werden können (wahrscheinlich bestehend auf den letzten Bewertungen) und damit müsste ich eigentlich die nächsten Milestones erreichen können. Gleichzeitig ist es aber auch eine gute Chance, Interesse der Mitarbeiter und Kunden zu gewinnen und das ist auch das, was wir im Mittelstand sehen: „Moving up in a Downturn“. Wenn ich jetzt ein Modell habe, das spätphasig funktioniert, dann kann ich mir Talente und Kunden holen und ich werde auch eine (angepasste) Finanzierung dazu bekommen.
3. Empfehlungen für frühphasige Startups
Dr. Heinz Raufer: Die frühphasigen Startups sind dadurch gekennzeichnet, dass sie in der Regel aufgrund ihrer Größe und der Situation sehr flexibel agieren können. Deswegen ist es dort empfehlenswert, zu adaptieren, die Businesspläne etwas organischer zu gestalten, gute Tools einzusetzen und verschiedene Szenarien bereit zu halten. Auf Umsatzseite sollte eher geschaut werden, dass Bestandskunden upgescaled, Neukunden schneller gewonnen und teure Marketing- Kampagnen vermieden werden. Betrachten wir die Kostenseite würde ich auf jeden Fall versuchen, die Teams im Kern und in der Technik zu halten. Außerdem sollte man finanzierungstechnisch gesehen auch mal einen Blick über die Grenze werfen: Investoren aus UK und USA investieren ab und zu auch mal gerne in Europa und sind weniger risikoavers. Idealerweise sollte trotz Krise eine Finanzierungsreichweite von 18-24 Monaten erreicht werden.
Um das ganze Thema mit einem Licht am Ende des Tunnels abzuschließen würden wir gerne die Worte von Ekkehard Franzke aufgreifen:
„Echte Gründer mit einer echten Innovation, Mission, Passion, die sollten sich nicht abhalten lassen, zu gründen. Für gute Ideen wird weiterhin Geld da sein und diese Ideen werden auch gute Talente und hohe Aufmerksamkeit bei Investoren bekommen.“